Seit zwei Jahren bin ich nun offiziell Rentner. Diesem neuen, arbeitsfreien Lebensabschnitt wollte ich meine künstlerische Aufmerksamkeit schenken und durch kreatives Schaffen neu definieren.
Abgesehen vom Schreiben ist künstlerisches Gestalten und Fotografieren für mich neu. Gerade auf diesem Gebiet bin ich am Lernen, am Sammeln von neuen Erfahrungen und Eindrücken. Dabei stoße ich oft auf Schwierigkeiten. Kooperationen sind schwierig zu gestalten. Es ist als stochere man blind in einem Teich, ohne genau zu wissen, nach was man eigentlich sucht.
Zusätzlich reduziert nun diese Corona-Pandemie die Teilnahme an kulturellem Leben auf ein schier unerträgliches Maß, das meine Unerfahrenheit beispielsweise in virtueller Eigenwerbung und zielgerichtetem, strategischem Handeln widerspiegelt.
Beruflich war ich es gewohnt, innerhalb eines bestimmten Rahmens oft spontane Entscheidungen zu treffen, ohne mich vorher absprechen zu können. In akuten, kniffligen Situationen war nicht immer jemand da, der mich an die Hand nahm und sagte: „So geht das jetzt!“
Doch wenn man sich auf ein neues Terrain begibt, kann man versuchen, es Schritt für Schritt selbst zu erkunden, oder von denen zu lernen, die sich dort bereits jahrelang mit meisterhafter Sicherheit bewegen.
Ich schloss mich Vereinen an, nahm an gemeinsamen Lesungen oder Ausstellungen teil. Dann setzte Corona diesem Lernprozess ein Ende und ich erkannte ziemlich schnell die Unterschiede zwischen Naivität und Professionalität in der Kunstbranche.
Ich habe keine Erfahrung im Aufbau von Netzwerken, keine Erfahrung in Selbstvermarktung und suche nicht den monetären Erfolg. Dies gestaltete das gemeinsame Voranschreiten in einer mir unbekannten Szene zusätzlich schwierig.
Ich bemerkte daher schnell, dass ich mit einer Homepage allein und zwei, drei Likes in den sozialen Netzwerken, wenn es um die Präsentation meiner Kreativität geht, nicht in die Rolle eines Mitspielers finde. Es ist, als wolle ich mit dreihundert Vokabeln eine Fremdsprache lernen. Es reicht allenfalls dazu, einen Kaffee zu bestellen. Selbst meine Verlinkungen zu anderen Sites fand keinen Widerhall.
Sinnbildlich beschränkt sich die Außenwirkung meiner Kreativität momentan auf einen Radius von drei Metern, nämlich meinen Arbeitsbereich am PC oder meinen Küchentisch, der mir als eine Art Staffelei dient, wenn mich das Bildgestaltungsmonster mal wieder angefallen hat und mir ein Acrylbild auf Leinwand abringt.
Vierzig Jahre vollkontinuierliche Schichtarbeit bedeutet auch vierzig Jahre Kontaktarmut. Das mag mir nun in dieser Krise zum Vorteil gereichen, für meine Standortbestimmung als Rentner, für meine Teilnahme an der Kunst, ist es ein großer Nachteil.
Stellt sich mir also die Frage, wie ich mit diesem Nachteil umgehe. Lesungen wurden abgesagt, Kunstmärkte wurden abgesagt. Initiativen anderer Künstler, real oder virtuell, funktionieren nach einem mir unbekannten Reglement und ich erfahre davon meist als Werbebotschaft in Form einer Einladung, wenn keine Mitspielmöglichkeit mehr besteht. Über vier, fünf Ecken zufällig an eine Lesung oder Ausstellung zu kommen, ist ebenfalls nicht mein Weg, wenn ich kreativ mitspielen will.
Es ist also schwierig in diesen Zeiten, das Gemeinsame zu finden. Es scheint mir einfacher zu sein, auf Erkundungsreise zu gehen, um unabhängig von Likes und Applaus letztlich mein Claim abzustecken und meinen Standort selbst zu definieren.
Rolf Höge
Kommentar schreiben